Die migrationsbezogenen Beziehungen zwischen Deutschland und Russland haben eine lange Geschichte. Bereits im 18. Jahrhundert rief Katharina die Große, eine deutsche Zarin auf dem russischen Thron, deutsche Siedler ins Land, um neu eroberte Gebiete zu besiedeln. Diese sogenannten Russlanddeutschen ließen sich vor allem an der Wolga und am Schwarzen Meer nieder. Bis 1914 wuchs ihre Zahl auf über zwei Millionen an.
Umgekehrt wanderten auch viele Russen nach Deutschland aus, insbesondere aus politischen Gründen. Nach der Oktoberrevolution 1917 flüchteten Hunderttausende, und Berlin wurde mit seiner großen russischen Gemeinde sogar als "Charlottengrad" bekannt. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg zogen immer wieder Russen nach Deutschland.
Nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 kehrten viele Russlanddeutsche in die Heimat ihrer Vorfahren zurück. Heute leben etwa 2,5 Millionen von ihnen in Deutschland, während einige auch in Russland blieben und prominente Positionen einnahmen, etwa in der Wirtschaft. Diese historischen Migrationen haben eine enge kulturelle Verbindung zwischen beiden Ländern geschaffen, die bis heute in beiden Communities spürbar ist.
Nach dem russischen Bürgerkrieg wurde Berlin zum Zentrum für russische Emigranten. Zwischen 1919 und 1923 lebten Hunderttausende Russen dort, darunter viele Literaten, Künstler und Verleger. Berlin wurde zum „russischen Berlin“, geprägt durch Emigrantenverlage, russische Tageszeitungen und Literaturzeitschriften. Die Produktion russischer Bücher übertraf zeitweise die deutscher Werke. Dieses kulturelle Phänomen endete mit der Verschärfung der politischen Lage in der Sowjetunion.
Russische Literatur hat Deutschland stark geprägt. Autoren wie Tolstoi, Dostojewski und Tschechow wurden ins Deutsche übersetzt, und ihre Werke sind bis heute ein fester Bestandteil deutscher Bühnen.
Doch blieb die Literatur nicht das einzige Feld wechselseitiger Spiegelung, sie lässt sich ebenso in der Musik wie in der Malerei beobachten. Große Beispiele im frühen 20. Jahrhundert sind Wassily Kandinsky, der mit Franz Marc, August Macke und Gabriele Münter zu den Mitbegründern der Münchner Malergruppe „Der Blaue Reiter“ zählte.
„Russische“ Supermärkte und Restaurants sind weit mehr als Orte des Einkaufs oder Essens – sie sind Brücken zwischen zwei Welten. Für viele Russlanddeutsche bieten sie einen Hauch von Heimat: vertraute Gerüche, Geschmäcker und Klänge, die Erinnerungen an die Vergangenheit wecken.
Auch in Russland war deutsche Literatur weit verbreitet. Bibliotheken in Städten und ländlichen Gebieten führten Werke deutscher Autoren wie Goethe, Schiller und Heine. Der Bibliograph Nikolaj Rubakin hob hervor, dass die deutsche Literatur eine der reichhaltigsten der Welt sei. Sein Werk diente als Grundlage zur Systematisierung von Bibliotheken und beinhaltete zahlreiche Übersetzungen.
Die deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen entwickelten sich seit den 1990er Jahren zunächst positiv und erreichten 2012 ihren Höhepunkt mit einem Handelsvolumen von 80 Milliarden Euro und einer „Modernisierungspartnerschaft“. Auch Investitionen deutscher Unternehmen in Russland nahmen zu, und über 5.000 deutsche Firmen waren dort aktiv.
Die Ukraine-Krise 2014 und die folgenden Sanktionen führten jedoch zu einem drastischen Rückgang des Handels. Ab 2016 erholten sich die Beziehungen vorübergehend, aber der russische Angriff auf die Ukraine 2022 brachte einen erneuten Wendepunkt: Deutschland brach fast alle wirtschaftlichen Kooperationen ab und führte strikte Sanktionen ein. Dies führte zu einem Rückgang der deutschen Exporte nach Russland und einer weitgehenden Einstellung gemeinsamer Projekte. Das Volumen deutscher Importe aus Russland ist um rund 92,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr 2022 gefallen.
Trotz der politischen Spannungen blieb Russland jedoch weiterhin ein wichtiger Energieexporteur nach Deutschland, wenngleich Berlin den Import russischer Rohstoffe bis 2024 vollständig einstellen wollte. Seit dem frühen Morgen des 1. Januar 2025 fließt kein russisches Gas mehr über die Ukraine in Richtung Europa. Allerdings ist noch nicht ganz klar, ob die Gaslieferungen aus Russland durch die Ukraine in die EU tatsächlich endgültig vorbei sind.
Die deutsch-russischen Beziehungen im 20. und 21. Jahrhundert sind geprägt von einem komplexen Wechselspiel aus Kooperation, Konflikt und strategischem Kalkül. Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts beeinflusste Deutschland maßgeblich den Lauf der Geschichte, als es die Oktoberrevolution 1917 durch Unterstützung der Bolschewiki indirekt mitgestaltete. Diese Revolution führte nicht nur zum Ausscheiden Russlands aus dem Ersten Weltkrieg, sondern legte den Grundstein für den Ost-West-Konflikt.
Die Weimarer Republik trug zur Stabilisierung der jungen Sowjetunion bei, insbesondere durch das Rapallo-Abkommen von 1922, das wirtschaftliche und militärische Zusammenarbeit zwischen den beiden Staaten ermöglichte. Doch diese Annäherung endete mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten. Trotz ideologischer Gegensätze kam es zur Kollaboration der Diktaturen, wie der Hitler-Stalin-Pakt von 1939 eindrücklich zeigt. Diese Kooperation ebnete der Sowjetunion den Weg zur territorialen Expansion und langfristig zum Aufstieg als Weltmacht.
Während des Kalten Krieges zeigte sich ein neuer Rhythmus in den deutsch-russischen Beziehungen. Zunächst dominierte die Abgrenzung, doch mit der Neuen Ostpolitik der sozialliberalen Koalition und ihrer Fortsetzung unter Helmut Kohl erlangte Deutschland eine Vermittlerrolle zwischen Moskau und Washington. Diese Politik setzte sich auch nach dem Ende des Kalten Krieges fort, selbst angesichts Russlands aggressiver Außenpolitik, wie der Annexion der Krim 2014. Wirtschaftliche Interessen und historische Verantwortung führten in Berlin lange zu einer Politik des Dialogs und Ausgleichs.
Doch diese Strategie stieß spätestens mit dem russischen Überfall auf die Ukraine 2022 an ihre Grenzen. Der Traum von einer Modernisierungspartnerschaft mit Russland scheiterte endgültig. Deutschland steht nun vor einem historischen Wendepunkt, der eine grundlegende Neuausrichtung der Russlandpolitik erfordert. Angesichts von Putins Revisionismus zeigt sich, dass die Zeiten rationaler Dialoge mit Moskau vorbei sind. Dennoch ist die solidarische Unterstützung Europas für angegriffene Staaten wie die Ukraine eine positive Entwicklung, die den neuen Herausforderungen standhält.