Meine Kindheit war nicht immer einfach, aber wir hatten alles, was wir brauchten. Wir hielten Tiere – Kühe, Schweine, Hühner und sogar Gänse. Unser großer Garten versorgte uns mit frischem Gemüse und Obst. Wir Kinder halfen immer mit und hatten trotzdem Zeit, uns kleine Streiche zu erlauben, wie heimlich Gurken oder Sonnenblumen zu naschen. Unsere Mama war streng, aber liebevoll. Sie arbeitete hart und sorgte dafür, dass es uns gut ging, auch wenn wir wenig hatten. Mein Papa war nach der Trudarmee nicht in der Lage, regelmäßig zu arbeiten. Er ging jedoch sehr sparsam mit dem Geld um, sodass wir immer einen Notgroschen hatten. Unsere Mama war besonders stolz auf unsere deutschen Traditionen – Feiertage wie Ostern oder Weihnachten wurden bei uns doppelt gefeiert, und unsere Küche war voller deutscher Gerichte wie Strudel und Krebel. Trotz der schweren Zeiten war unsere Familie unser größter Halt, und unsere Eltern haben uns mit all ihrer Liebe getragen.
Während meiner Schulzeit war es nicht immer einfach. Wir wurden oft beschimpft, weil wir Deutsche waren. Ich wurde gehänselt und manchmal sogar verletzt. Ein Nachbarsjunge ärgerte mich lange Zeit, bis mir jemand beibrachte, wie ich mich wehren konnte. Mit der Zeit hörte mein Nachbar mit den Beleidigungen auf, und es führte sogar dazu, dass er später einmal für mich einstand. Früher oder später gewöhnten sich die Menschen im Dorf an uns. Wir spielten gemeinsam Domino, aßen am Lagerfeuer und sangen Lieder.
Mein Vater war sehr traditionell. Er legte großen Wert darauf, dass wir unsere deutschen Wurzeln bewahren, und er wollte nicht, dass seine Kinder Nicht-Deutsche heiraten. Als meine ältere Schwester einen Russen heiraten wollte, sagte er ihr, dass sie, sobald sie das Haus verlassen hätte, bei Problemen oder Streit nicht zurückkommen solle. Als ich erwachsen war, lernte ich meinen zukünftigen Mann kennen, der Russe war. Wäre mein Vater noch am Leben gewesen, hätte er das wohl nicht akzeptiert. Doch meine Mutter war weise und diplomatisch, weshalb sie uns ihren Segen gab. Mein Mann und ich verliebten uns ineinander, und bald kam unser erstes Kind zur Welt.
Schon in jungen Jahren begann ich als Schneiderin zu arbeiten. Als mein erster Sohn geboren wurde, musste ich mich gleichzeitig um ihn kümmern, da mein Ehemann Wehrpflicht hatte. Meine Mutter sagte uns immer, wir sollten unsere Sprache und unsere Traditionen bewahren. Es war, als hätte sie bereits geahnt, dass wir eines Tages nach Deutschland zurückkehren würden.
Als meine Schwester aus Kasachstan nach Deutschland zog, lud sie uns ein, und schließlich beschlossen wir, ebenfalls nachzukommen. Mein jüngerer Sohn wollte nicht nach Deutschland ziehen, aber mein ältester Sohn war neugierig auf das Leben hier. Wäre auch er dagegen gewesen, wäre ich wahrscheinlich in Russland geblieben. In Russland hatte ich keinen deutschen Pass – nur in meiner Geburtsurkunde stand, dass meine Eltern und ich Deutsche waren. Bevor wir nach Deutschland kamen, musste ich einen Sprachtest ablegen, um meine deutsche Herkunft zu bestätigen. Die ersten Jahre hier waren schwer. Die Sprache und vieles andere war ungewohnt. Zu Hause in Russland sprachen wir Schwäbisch, was in Bayern oft missverstanden wurde. Bei Spaziergängen war es uns anfangs unangenehm, miteinander Russisch zu sprechen. Deshalb redeten wir oft in unserem akzentreichen Deutsch oder schwiegen sogar, wenn wir an anderen vorbeigingen.
Wir leben jetzt ruhig hier in Hof, in einer Zwei-Zimmer-Wohnung im ersten Stock. Ich sammle Engelsfiguren – sie bereiten mir Freude. Oft koche ich für meinen Mann, vor allem deutsche Gerichte, die ich seit meiner Kindheit kenne. Im Sommer fahren wir in unseren Garten, unsere Datscha, die nicht weit von der Stadt entfernt liegt. Dort pflanzen wir Tomaten, Gurken, Beeren und Sauerampfer, dessen Samen wir von einem Besuch in Russland mitgebracht haben. Die ganze Familie kommt oft zusammen – wir machen Schaschlik und entspannen uns in der selbstgebauten Sauna. Danach trinken wir immer einen Minztee mit der Minze, die in unserem Garten wächst. Manchmal vermisse ich die Zeit in Russland. Dort war mein Leben, dort sind meine Erinnerungen. Aber hier haben wir uns ein gutes Leben aufgebaut. Es ist anders, aber es ist unser Zuhause geworden.



