Ich wurde in dem kleinen sibirischen Dorf namens Schila geboren, wo die Winter eiskalt waren, bis zu minus 45 Grad, und die Sommer heiß. Wir waren eine große Familie, fünf Kinder. Außerdem lebten meine Großeltern mit uns, denn es gehörte sich einfach so, dass der jüngste Sohn sie aufnahm.
Ich erinnere mich an viele besondere Momente, zum Beispiel an die dunkelroten Stiefel, die ich mir so sehr wünschte. Sie waren unglaublich teuer, fast so viel wie das monatliche Gehalt meines Vaters. Natürlich konnte meine Mutter mir diese nicht einfach so kaufen. Aber ich wollte sie unbedingt, also habe ich eine Szene im Geschäft gemacht – ich habe geweint, geschrien und die Verkäuferin sicherlich zur Verzweiflung gebracht. Und siehe da – meine Mama konnte nicht anders und hat sie mir dann doch gekauft. Doch am Ende habe ich sie vielleicht nur zwei bis drei Mal getragen.
Die Sommer waren voller Leben. Wir halfen bei der Ernte, fuhren aufs Feld, wo wir Kartoffeln ausgruben. Nach der Arbeit machten wir ein Lagerfeuer, warfen die Kartoffeln hinein und aßen sie später mit frischer Milch – ein einfaches, aber unvergessliches Festessen.
Wir sammelten Beeren im Wald: Erdbeeren, Johannisbeeren und Vogelbeeren. In einem so großen Haushalt musste man früh lernen, mitanzupacken. Wir hielten zusammen, halfen uns gegenseitig und teilten alles. An diese Zeiten denke ich noch heute gerne zurück.
Meine Jugend war geprägt von einer fröhlichen und aktiven Schulzeit. Die Schule war für mich ein besonderer Ort, an dem wir nicht nur gelernt, sondern auch viel Zeit miteinander verbracht haben. Jeden Tag gab es Sport und Spiele – Volleyball, Basketball, Langlauf im Winter und andere Aktivitäten. Zu meiner Schulzeit wurden die Deutschen nicht ausgegrenzt, besonders nicht wegen ihrer Herkunft. Einige meiner Mitschüler waren Deutsche, wie Günther, Ecker oder mein Ehemann Valery. Aber für uns spielte das keine Rolle. Es gab keinen Spott, keine Feindseligkeit – nur Freundschaft.
Mein späterer Mann, kam in der dritten Klasse neu zu uns. Er behauptet, er habe sich sofort in mich verliebt, als ich ihn einmal zurechtgewiesen und „Sei leise!“ gesagt habe. Wir blieben Freunde, spielten gemeinsam Sport und verbrachten die Schulzeit miteinander. Erst als er nach der Schule in die Armee ging und mir begann, Briefe zu schreiben, entwickelte sich unsere Beziehung. Ich schrieb ihm zurück – und der Rest ist Geschichte.
Als Valery aus der Armee zurückkam, war ich gerade im Garten und hackte Unkraut. Plötzlich sah ich ihn den langen Pfad entlangkommen – in seiner Uniform, vielleicht mit Blumen in der Hand. Es war ein berührender Moment, als wir uns umarmten. Im Sommer trafen wir uns oft, und im Herbst beschlossen wir zu heiraten.
Ich arbeitete damals in Krasnojarsk als Kassiererin und lebte in einem Wohnheim. Es war anstrengend ohne eigene Wohnung, doch wir hatten einen Plan: Mein Mann begann als Schlosser zu arbeiten, und während ich mit Artur schwanger war, bekamen wir eine kleine Einzimmerwohnung. Später zogen wir in eine größere Wohnung, bevor die Perestroika begann.
Unsere ersten Jahre waren geprägt von harter Arbeit und dem Wunsch, unseren Kindern eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Nach Artur wurde Regina geboren, und bald darauf fiel die Entscheidung, nach Deutschland auszuwandern. Es war keine leichte Wahl, aber wir sahen darin eine Chance. Wir mussten Sprachtests bestehen und Gespräche führen. Und obwohl mir die deutsche Sprache sehr schwer fiel, schaffte auch ich es und kam – drei Monate später als mein Mann und meine Kinder – in Deutschland an.
Seit wir in Deutschland leben, hat sich vieles verändert. Nach der Migration musste ich mich beruflich neu orientieren – von einer Kassiererin und Verkäuferin in Russland zu einer Küchenhilfe hier. Es war nicht immer leicht, vor allem wegen der Sprachbarriere, aber mit der Zeit habe ich mich angepasst. Jetzt fühle ich mich in meinem Alltag angekommen.
Mein Mann, der diesen Schritt nach Deutschland am meisten wollte, hat uns leider viel zu früh verlassen. Er war es, der uns in vieler Hinsicht zusammengehalten hat, und es schmerzt, dass er nicht mehr hier ist, um dieses Interview zu führen. Er hatte es geschafft, sich schnell in die Gesellschaft zu integrieren und sich hier ein neues Leben aufzubauen.
Deutschland ist für mich zu einem Zuhause geworden. Ich schätze den Respekt vor den Gesetzen und die Ordnung hier. Doch meine Wurzeln bleiben in Russland – dort, wo ich geboren wurde und die meiste Zeit meines Lebens verbracht habe.



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